Der Arztbesuch

Da bin ich nun. Es ist 9.00 Uhr morgens und ich bin, zugegeben, noch nicht ganz wach ne halbe Stunde Auto gefahren. Endlich angekommen geht die große Suche nach einem Parkplatz los. Natürlich sehe ich darüber hinweg, dass wieder irgendwelche Smart-Fahrer meinen, dass ihr kleines Auto doch die breite eines Panzers hat. Und demnach auch genau so parken. Endlich habe auch ich mit meinem, um einiges massigeren Auto einen Parkplatz gefunden in den sogar einer dieser Panzer ohne Probleme reinpassen würden.

Der Weg vom Auto zum Eingang der Klinik läuft im Gegensatz zur Parkplatzsuche eher geschmeidig ab. Bis auf ein knuffiges Pärchen bestehend aus einem scheintoten Opa und einer recht krüppeligen Oma, welches locker durch ein ebenso seniles paar Schnecken überholt werden könnte. Der weitere Weg verläuft ohne Komplikationen.

An der Rezeption angekommen, erfreut es mich, dass der Chefarzt endlich die alte Schraube von Sekretärin ausgetauscht hat. Also trete ich voller Vorfreude vor den Tresen, nachdem der nette Herr vor mir sich auf den Weg ins Wartezimmer macht, inklusive seinem doch recht penetranten Geruch. Mit einem freundlichen „Guten morgen, was kann ich für Sie tun?“ werde ich empfangen. Durch diese pure Ausgeburt an Höflichkeit fühle ich mich verpflichtet ihr in einem ebenso netten, und in diesem Falle nicht gespielten, Ton einen „Guten Morgen“ zu wünschen. Was auch sofort mit einem noch größeren Lächeln belohnt wird. Nachdem ich ihr mein, doch recht belangloses Anliegen geschildert habe, bekomme ich die Anweisung mich in das Wartezimmer zu setzen. Und um doch wenigstens ein kleines Bisschen in das Schema eines durchschnittlichen Patienten zu passen, schiebe ich die Frage „ Wie lange wird’s denn dauern?“ hinterher. Natürlich kennt die Dame an der Rezeption schon, und antwortet zwei Sekunden nach meiner Frage mit einem „Nicht lange!“.

Also begebe ich mich auf den Weg ins Paradies für Kranke, Halbtote und Simulierende. Und jetzt steht man vor dem ersten ernsthaften Problem. Welche Zeitung soll ich jetzt die nächsten 30 Minuten, wenn man der Frau an der Rezeption Glauben schenkt, lesen? Die Auswahl an Klatschblättern und hochbildenden Magazin ist derart riesig, dass man völlig überfordert ist. Und man merkt, dass man immer weiter in das Beuteschema eines jeden Arztes rutscht. In der Hoffnung Jemand schaut mir bei meiner Auswahl zu, entscheide ich mich für den Focus, man möchte ja gebildet erscheinen. Was man mit einer „Bunten“ leider nicht schafft, da man auch noch keine 67 Jahre alt ist, und vom Gesetz her stinken darf.

Nachdem ich meine Wahl nun getroffen habe, stehe ich vor meinem nächsten großen Problem. Welcher Plastikstuhl spricht mich mehr an. Die Wahl trifft auf einen sehr einsamen Stuhl, der zum Glück nur von einer Seite mit dem Gestank eines recht fetten Mannes penetriert wird. Aber im Gegensatz zu der Frau, die ihren Füßen wohl etwas wenig Aufmerksamkeit geschenkt hat in den letzten 347 Jahren, und einer Mutter mit ihrem popelndem Kind, empfinde ich meine Wahl als recht legitim. Also verbringe ich meine Zeit, die doch nun schon eine Stunde beträgt und mein Vertrauen und meine Wertschätzung gegenüber der Tante an der Rezeption schwinden lässt, mit einer Zeitung die eh zum Großteil aus mich nicht interessierender Politik besteht und einem dicken, fetten und stinkendem Mann an meiner Seite.

Endlich, die Erlösung die einem Gong bei einem Boxkampf zwischen Rocky Balboa und Mister T. in der 39. Runde gleichkommen würde. Aus der Nebentür ertönt ein lautes „Herr Hellmich bitte…“. Voller Missgunst und Neid durchbohren mich die Blicke der anderen Beutetiere. Ich kann mir leider ein viktorianisches Lächeln nicht verkneifen und schreite voller Stolz zu der Dame die meinen Namen mit solch einer Inbrunst in den Raum geschrien hat, dass es mindestens New York noch hätte hören müssen. Ich entziehe mich der Blicke, die doch so langsam unangenehm werden, und gehe durch die Tür der lauten Frau.

Endlich an meinem eigentlichen Ziel angekommen, hält meine Freude nicht lange an. Das nächste Problem kreuzt meinen Weg. Ich soll der Aufforderung nachkommen meinen Blanken Hintern vor versammelter Mannschaft zu entblößen. Nachdem ich mir, wie die vielen Male davor auch, gesagt habe dass die Herrschaften in einer Viszeralchirurgieschen Ambulanz jede Menge Hintern sehen, tue ich wie mir befohlen wurde. Der Schmerz den die Ärztin, die ohne weiteres auch eine professionelle Catcherin hätte sein können, hinterließ ging auch sehr schnell vor rüber. Auch wenn ich im Nachhinein nicht wissen möchte was sie für ein stählernes Instrument in meine noch offene Wunde gedrückt hat. Nach dem Aufstehen von der ekelig riechenden Pritsche verabschiede ich mich höfflich und schließe die Tür hinter mir.

Der Erfahrung nach zu urteilen der letzten Arztbesuche, dürfte es jetzt kein weiteres Problem geben, was mich aus meiner Euphorie reißen könnte es endlich geschafft zu haben. Nachdem ich die 60 Cent bezahlt habe, um einen der begehrten Parkplätze nutzen zu dürfen, steige ich in meinen Wagen und fahre gen Schranke. Auch hier versuche ich mich wieder einmal nicht über gewisse Autofahrer auf zu regen. Ich finde ich sollte sowieso ein bisschen Rücksicht drauf nehmen, dass noch nicht jeder Autofahrer der im letzten Jahrhundert seinen Führerschein gemacht hat wissen kann, wo das verdammte Gaspedal ist. Voller Freude darauf endlich die Musik laut auf zu drehen und wieder Unmengen an Sprit zu verfahren, trete ich meinen Heimweg an.

Das Ganze habe ich im September 2008 geschrieben, also seid nicht zu hart mit euren Kommentaren 😉

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